Vom 18.-21. Mai 2023 feierte der Bundeselternverband gehörloser Kinder e.V. sein 60 jähriges Bestehen mit einer großen Tagung für Familien mit Kindern mit Hörbehinderung. „Vielfältig ∙ Digital ∙ Stark“ lautete das Motto der Vorträge, Workshops, des Marktplatzes und des Festabends.
Das Programm begann mit einem Rückblick auf die Geschichte des Verbandes. Geladen waren Katja Belz und Susan Pufhan, die mit ihrer vormaligen Vorstandsarbeit als hörend-gehörloses Team den Verband zur jetzigen Bekanntheit gebracht und den Grundstein für die Familientagung in der heutigen Form gelegt haben. Sie berichteten von ihrer damaligen Pionier- und Netzwerkarbeit für die Anerkennung bilingualer Bildung mit Gebärdensprache und Deutsch sowie der Entwicklung einer starken Selbstvertretung der Eltern.
Weitere Programminhalte befassten sich mit der Rolle gehörloser Schauspieler, insbesondere Kindern bei Filmproduktionen. Der Filmemacher Tobias Lehmann, die Schauspielerin Anne Zander und der junge Nachwuchsschauspieler Leif-Erik Werk zeigten Wege auf, als gehörlose Person in diesen Beruf zu kommen und präsentierten ihr Engagement für eine vielfältige Filmlandschaft. Die Psychologin Sophie Terhorst ging auf das Thema “Sprachdeprivation und die psychischen Auswirkungen” ein. Sie berichtete von neuen Forschungsergebnissen, die die Folgen von Sprachentzug klar identifizieren und zeigte Strategien auf, die dieser dramatischen Entwicklung entgegenwirken. Zur Mitgliederversammlung stellte der neue Vorstand des BGK seine Arbeit des ersten gemeinsamen Jahres vor und gab gemeinsam mit den Projektvorstellungen einiger Mitgliedsverbände einen Ausblick auf die Aktivitäten im Folgejahr. Der Vortrag von Stefan Goldschmidt zur “Kultur der tauben Menschen” war reich an Gebärdensprach-Witz und Poesie und ein gelungener Auftakt zum späteren Workshop “Wie kann ich Gehörlosenkultur an unsere Kinder vermitteln?”. Zur Workshopzeit wurden zudem Themen wie gewaltfreie Kommunikation in der Familie mit Sophie Terhorst oder “Deaf Didaktik” mit Ege Karar und Bastian Staudt von der RTWH Aachen erarbeitet. Letzteres war ein Novum, bisher hat sich die Arbeitsgruppe Deaf Didaktiks an Lehrende gewandt. Im Workshop wurde deutlich, dass gerade Familien mit dem Lernverhalten der Kinder befasst sind und in die Entwicklungsarbeit einer visuellen Pädagogik, mittels Deaf Didaktik in Deutschland, einbezogen werden möchten. Reger Austausch und viele neue Informationen und Anregungen bot den Eltern der „Markt der Möglichkeiten“.
Hier stellten sich Anbieter vor für Gebärdensprach-Kurse wie Manimundo und GebärdenVerstehen, zum Thema Rechtsberatung beispielsweise Rechtsanwältin Mareike Drygala ebenso neue bilinguale Lernmaterialien wie die Mioleo App, Arbeitsmaterial von Frau Taube, Daumenkinos von Talking Hands, die Nixies Bücher von Jenny Block oder die Sign Box und viele weitere. Die Deutsche Gehörlosenjugend e.V und der Biling e.V. luden zum Kennenlernen ein, ebenso online Telefon- oder Schriftdolmetscher wie Tess Relay-Dienste und VerbaVoice.Weitere Höhepunkte für die Familien boten ein Sportturnier mit gemischten Teams aus Kindern und Eltern, bei dem die Teilnehmenden in Fußball, Handball und Volleyball gegeneinander antraten sowie der unterhaltsame Festabend zum 60 Jährigen Jubiläum mit berührenden und lustigen poetischen Beiträgen von großen und kleinen Künstlern.
Die Tagung wurde von einem lebendigen Kinderprogramm begleitet. In vier Kindergruppen gestalteten junge Erwachsene mit und ohne eigene Hörbehinderung ein begeisterndes Angebot für die Kinder mit Hörbehinderung und ihre Geschwister. Ermutigung und Teilhabe erfuhren die Kinder durch gezielte Angebote bei Gruppenspielen, Kreativangeboten, Sport, Ausflügen, altersgemäßen Workshops und gemeinsamer Projektarbeit.
Die Tagung war barrierefrei gestaltet mit Gebärdensprache und Lautsprache und der Unterstützung von Gebärdensprachdolmetschenden sowie Kommunikationsassistent:innen.
Nicht nur Vorträge von gehörlosen und hörenden Referierenden waren für alle zugänglich, auch in den Kaffeepausen war ein reger Austausch der gehörlosen und hörenden Eltern miteinander ungehindert möglich.
Die Tagung war mit 60 Familien ausgebucht. Nach Anmeldestart zu Beginn des Jahres hatten sich weit mehr Familien für die Tagung interessiert, als Plätze zur Verfügung standen. Die Angebote zur Tagung wurden rege angenommen und die Rückmeldung der Teilnehmenden war sehr positiv. Sie konnten sich vernetzen, erhielten Anregungen und
Wissen sowie neuen Mut und Kraft, sich intensiv für die beste Förderung und Unterstützung ihrer gehörlosen und schwerhörigen Kinder einzusetzen.Der Bundeselternverband gehörloser Kinder e.V. hält daher an dieser schönen Tradition fest und wird auch in 2024 eine Familientagung anbieten.
Bilder Quelle: www.gehoerlosekinder.de
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